Europa zukunftsfähig machen

(Digitale) Diskussionsveranstaltung mit Gaby Bischoff (MdEP) und Michael Roth (Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt) am 9. Juni 2020

Am 1. Juli übernimmt Deutschland für ein halbes Jahr die E.U.-Ratspräsidentschaft. Europa steckt in einer Vertrauenskrise. Der Nationalismus, der einfache Antworten verspricht, ist auf dem Vormarsch. Dagegen ist die europäische Perspektive schwierig auf den Punkt zu bringen. Aber die Corona-Krise hat eindeutig gezeigt: Abschottung ist keine Lösung – so Michael Roth in seiner Analyse. Es kommt darauf an, Norden und Süden der Europäischen Gemeinschaft wieder zusammen zu bringen. Deswegen will der SPD-Vorstand die Ratspräsidentschaft nutzen, um die wirtschaftliche und gesellschaftliche Erholung nach der Corona-Krise gerecht und nachhaltig gestalten, Solidarität und den Zusammenhalt in Europa stärken und das europäische Projekt konsequent für die Zukunft ausrichten. (→ Beschluss des SPD-Bundesvorstands vom 8. Juni 2020) Programme für wirtschaftliche Erholung sollen sich auf den Klimaschutz und den sozialen Zusammenhalt (z.B. das in der Krise so dringend gebrauchte Gesundheitswesen) konzentrieren. Die Europäische Gemeinschaft ist eine Werte-Gemeinschaft, nicht einfach nur eine Geldverteil-Maschine.

Die Erwartungen an die deutsche Ratspräsidentschaft sind hoch, die Bundesrepublik ist nicht unbedingt beliebt. Aber wir können wichtige Impulse setzen: Durch Milliardeninvestitionen in zukunftsfähige Arbeitsplätze zeigen, dass Klimaschutz kein Jobkiller ist.
Erste konkrete Schritte für soziale Mindest-Standards stehen jetzt an, z.B. ein europäischer Rahmen für Kurzarbeit (der dann im Detail von den Mitgliedsstaaten gefüllt wird). Demnächst vielleicht auch ein europäischer Mindestlohn. Die Bewältigung der Corona-Krise ist eine Chance für die Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft. Die letzten Europa-Wahlen haben gezeigt, dass es dafür eine breite Unterstützung in der Bevölkerung der Mitgliedsstaaten gibt. Ein Projekt des Europäischen Parlaments, das durch Corona zunächst gestoppt worden war, gewinnt damit neue Bedeutung: Für den 9. Mai, den 20. Jahrestag des Schuman-Plans, war in Dubrovnik ein großer Zukunftskongress mit Bürgerinnen und Bürgern aus allen Ländern der E.U. geplant. Im Europäischen Parlament gibt es eine Arbeitsgruppe aus sieben MdEP, Gaby Bischoff arbeitet darin mit. Im Parlament gibt es für den Prozess breite Unterstützung, die Kommission trägt ihn mit, könnte aber mutiger sein; der Rat hat sich noch nicht einigen können. Das Europäische Parlament wird ungeduldig: Der Prozess soll im Herbst endlich beginnen, am Ende soll eine gemeinsame Positionierung von Parlament, Kommission und Rat stehen. Es gibt Vorschläge für eine Weiterentwicklung der Europäischen Union, aber der Prozess muss ein offener sein.

Das Europäische Parlament will einen breiten Prozess der Diskussion von Bürgerinnen und Bürgern einleiten, die durch unabhängige Institutionen zufällig ausgewählt werden, aber doch repräsentativ für ihre jeweiligen Gesellschaften sind. Für verschiedene Themenbereiche (z.B. die E.U.-Außenpolitik) wird es eigene Marktplätze („Agora“) an verschiedenen Orten geben, wo jeweils 200-300 Menschen zusammenkommen. Die Parlamentarier müssen die dort entstandenen Vorschläge beraten und beantworten. Es soll eine gemeinsame europäische Debatte sein, und nicht 27 nationale Debatten, das ist wichtig. Geklärt werden soll in diesem Prozess auch, ob es in der Bevölkerung eine Unterstützung für eine Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft gibt. Denn Europa ist kein Projekt der Eliten.

Thomas Koch

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