Es braucht mehr Mut!

SPD in Reinickendorf diskutiert Ergebnis der Bundestagswahlen

Mehr Mut zu Glaubwürdigkeit!

Unbequeme Wahrheiten sprach er aus, der Referent auf der Kreisdelegiertenversammlung der SPD Reinickendorf – Raed Saleh, SPD-Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus. Er selbst brachte am Abend des 6. Oktober Mut auf und benannte Ursachen für das katastrophale Wahlergebnis der SPD bei den Bundestagswahlen. Er scheute sich nicht, von einer Existenzkrise der SPD zu sprechen, die dazu führen könne, dass sie zu einer unbedeutenden Partei werden könne wie bereits in einigen Ländern Europas. Die Ursachen dafür sieht Saleh vor allem im Vertrauens- und Glaubwürdigkeits-verlust der Sozialdemokraten in den letzten Jahren. Als Beispiel nannte er u.a. die Erhöhung der Mehrwertsteuer: Vor der Bundestagswahl 2005 versprach die SPD, mit ihr werde es keine Erhöhung der Mehrwertsteuer geben, die CDU wollte sie um 2% erhöhen. Nach der Wahl hingegen einigte man sich in der damaligen Großen Koalition auf eine Erhöhung um 3% von 16 auf 19%. Saleh sprach auch die Agenda 2010 an. Die Hartz – Gesetze hätten breite Teile der sozialdemokratischen Wählerschaft als eine Art Verrat wahrgenommen. Auch die Waffenexporte nahm er ins Visier. Waffen seien von SPD-Wirtschaftsministern bedenkenlos in alle Welt verkauft worden

Mehr Mut zur Einbindung der Parteimitglieder!

Auch mit dem Wahlkampf ging Saleh kritisch ins Gericht. Der Wahlkampf habe zu spät und ohne Vorbereitung begonnen. Der Programmentwurf sei von der Parteispitze so spät beschlossen worden, dass er im Unterschied zur Wahl 2013 in den Parteigliederungen und in der Öffentlichkeit nicht hinreichend diskutiert werden konnte. Martin Schulz als Spitzenkandidat sei zwar großartig mit viel Schwung gestartet. Die in die Höhe schießenden Umfragewerte bewiesen, dass es ein tiefes Bedürfnis nach etwas Neuem, Kantigen gab, das er anfangs verkörperte. Dann aber geriet er in das Räderwerk der Parteifunktionäre und Berater im Willy-Brandt-Haus, die seine Reden umschrieben und unkenntlich machten So konnte er trotz allen Ackerns im Wahlkampf nicht zum Wahlerfolg kommen.

Mehr Mut zu Ehrlichkeit!

Saleh forderte für die Zukunft eine „ehrliche Politik“. Dazu gehört nach seiner Auffassung ein offener Umgang mit den Bedürfnissen, Ängsten und Hoffnungen der Menschen. Die SPD dürfe die Angst vor einer „kulturellen Überfremdung“ und die mit der Zuwanderung verbundenen Probleme nicht einfach ignorieren, sondern müsse die Ursachen der Flucht erklären und konkrete Lösungen anbieten. Man dürfe die Wähler der AfD nicht ablehnen oder verteufeln, sondern müsse sie für die SPD zurückgewinnen. Das Thema „Sicherheit“ sei im Wahlkampf deutlich zu kurz gekommen. Die Menschen erwarteten vom Staat klare Regeln für ein Zusammenleben und deren Durchsetzung. Die SPD dürfe auch nicht tolerieren, wenn überall Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Sie dürfe nicht

verschweigen, dass die Mietpreisbremse den raschen Anstieg der Mieten besonders in den Zentren nicht hinreichend verhindert. Die SPD müsse vor allem auch die emotionale Bindung ihrer Wählerschaft wieder aufbauen und ihr Vertrauen zurückgewinnen. Nur wenn die SPD es schafft, eine große, gemeinsame Vision für Deutschland zu definieren, werde sie in Zukunft Erfolg haben, forderte Saleh zum Abschluss.

Reinickendorfer SPD will „Ideenwerkstatt“ einsetzen

Saleh sprach vielen Delegierten aus dem Herzen. Das zeigten der Beifall für seine Rede und die anschließende Diskussion. Zahlreiche Delegierte meldeten sich mit nachdenklichen Beiträgen zu Wort, darunter auch der dem CDU-Kandidaten unterlegene Reinickendorfer SPD-Bundestags-kandidat Thorsten Karge. Er betonte, dass die in seinem Wahlkampf gesetzten Themen der sozialen Gerechtigkeit die richtigen waren, er habe in vielen Gesprächen Zustimmung erfahren. Gleichwohl habe man offensichtlich der SPD nicht mehr zugetraut, dies auch in praktische Politik umzusetzen.

In den beschlossenen Anträgen griff die KDV Salehs Anregungen auf. Als erstes wurde einmütig eine Resolution verabschiedet, die die Einsetzung einer „Ideenwerkstatt“ beinhaltet. Mitglieder aus Reinickendorf sollen sich kritisch mit dem Wahlergebnis auseinandersetzen und Ideen zur inhaltlichen, organisatorischen, strukturellen und strategischen Erneuerung der SPD auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene entwickeln. Außerdem sollen konkrete Vorschläge zur Weiter-entwicklung des SPD-Kreisverbands erarbeitet werden.

Juso-Ideen zur Organisationsreform der SPD Reinickendorf

Die Reinickendorfer Jungsozialisten legten eine Reihe von Anträgen zur Neuausrichtung der Reinickendorfer Parteiarbeit und Organisation vor. Einer ihrer Anträge wurde sofort beschlossen: der Antrag, die inhaltliche Arbeit des Kreisvorstandes voranzubringen: Den Beisitzern sollen definierte Aufgabenbereiche zugewiesen werden, die sie mit der Veranstaltung von Themenforen und Formulierung von Anträgen ausfüllen. Bei den weiteren Juso-Anträgen war die KDV mehrheitlich der Auffassung, dass vor einer Entscheidung den Reinickendorfer Abteilungen und Mitgliedern und auch der Ideenwerkstatt Gelegenheit zur Diskussion und Meinungsbildung gegeben werden müsse.

Kritische Auseinandersetzung mit Senatspolitik

Weitere Anträge setzten sich kritisch mit der aktuellen Senatspolitik auseinander. So wurde der Senat aufgefordert, die Koalitionsvereinbarung mit Grünen und Linkspartei umzusetzen: Die Rückführung des Facility Managements (CFM) in die Charité stockt und soll deshalb nunmehr zügig vorangebracht werden, ebenso die Einbeziehung der Vivantes -Töchter in den Geltungsbereich des Tarifvertrages

für den öffentlichen Dienst (TVöD) sowie der Vollzug des zwischen Verdi und der Universitätsmedizin vereinbarten Tarifvertrages Gesundheitsschutz und Mindestbesetzung in den angeschlossenen Krankenhäusern. Auch mit diesen Anträgen wurde deutlich: „Die SPD hat kein programmatisches Defizit, sondern ein Umsetzungsproblem“, wie abschließend der SPD-Kreisvorsitzende Jörg Stroedter feststellte.

Gabi Thieme-Duske

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