SPD-Gliederungen werden Stolpersteinpaten

Im Jahr 2003 verlegte Gunter Demnig den ersten Stolperstein in Reinickendorf. Inzwischen sind es rund 170 Gedenksteine geworden, die vor den letzten Wohnhäusern von Menschen liegen, die von den Nationalsozialisten aus rassischen, politischen oder anderen Gründen verfolgt und ermordet wurden. Es waren jüdische und politische Opfer, Sinti und Roma, Menschen, die Opfer der so genannten „Euthanasie-Programme“ wurden, es waren Homosexuelle, die verfolgt, in KZ deportiert und ermordet wurden.

Die Stolpersteine sollen an die einzelnen Menschen erinnern, nicht in Gestalt eines zentralen Denkmals, sondern in Form einer 10×10 cm großen Messingplatte auf einem Stein vor der letzten freiwillig gewählten Wohnstätte. Die Opfer verschwanden nicht einfach, sondern sie wurden aus ihrem direkten Lebens- und Wohnumfeld gerissen, oft mit Wissen der Nachbarschaft.


Die Stolpersteine für Dr. Ilse und Edith Kassel in der Wachsmuthstr. 9

Diese Erinnerung soll nicht verblassen, ebenso wenig die Stolpersteine. Deshalb müssen diese ab und zu gereinigt werden. Die Reinickendorfer Arbeitsgruppe Stolpersteine sucht deshalb Paten, die die Steine regelmäßig putzen. Unter den ersten Paten, die sich gemeldet haben, sind Einzelpersonen und Ehepaare, Hausgemeinschaften, Schulklassen, eine Wohnungsbaugenossenschaft und auch Vertreter politischer Parteien.

Aus der SPD Reinickendorf haben sich bisher zwei Gliederungen gemeldet, die Abteilung Hermsdorf und die Reinickendorfer AG SPDqueer. Im Rahmen einer kleinen Feierstunde der AG Stolpersteine Reinickendorf am 16. 10. 2017 wurde dem Vertreter der SPD Hermsdorf, Christian Oestmann, die Patenschaftsurkunde für die Stolpersteine für Dr. Ilse Kassel und ihre Tochter Edith und dem Vertreter der AGqueer, Alex Smola, für die Stolpersteine für Herbert Schmeisser und Herbert Gürtzig überreicht.

Die Stolpersteine für Dr. Ilse Kassel und ihre Tochter Edith liegen vor dem Grundstück Wachsmuthstraße 9. Dr. Ilse Kassel war eine jüdische Ärztin, geboren 1902 in Wittenau. Sie praktizierte seit 1930 in der Praxis ihres Vaters in der Wachsmuthstraße, seit 1929 gehörte sie der SPD Hermsdorf an. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft und ihrer politischen Aktivitäten im Widerstand wurde sie verfolgt. Sie entzog sich den Repressionen durch die Flucht zu einer ehemaligen Patientin ins Oderbruch. Das Versteck wurde im Herbst 1943 vermutlich verraten, Ilse Kassel sah für sich und ihre sechsjährige Tochter Edith keinen anderen Ausweg als den gemeinsamen Freitod. Sie starb dabei in der Netze, die Tochter wurde gerettet, aber später in Auschwitz ermordet.


Christian Oestmann (SPD Hermsdorf) nach der Unterzeichnung der Patenschaftsurkunde

Es ist gut, dass wir die Patenschaft gerade für diese beiden Steine übernehmen konnten. So wahren wir das Andenken an eine engagierte Frau aus unserem SPD-Ortsverband, die von den Nationalsozialisten aufgrund ihrer jüdischen Herkunft und ihrer politischen Überzeugung und Aktivitäten verfolgt und in den Tod getrieben wurde“, stellte Christian Oestmann fest.

Gabi Thieme-Duske

 

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