Von Wohnungen bis Kitas: Reinickendorf plant seine Zukunft

Reinickendorf rechnet bis zum Jahr 2030 mit 21.000 zusätzlichen Einwohnern. Da muss sich die soziale Infrastruktur anpassen.

Berlin wächst bekanntlich – und nicht zuletzt die Bezirke müssen sich auf die kommenden Veränderungen einstellen. Wo müssen Wohnungen gebaut werden, wie viele Schulen werden gebraucht, wo können Grünanlagen geschaffen werden, was ist es mit Kitas und Turnhallen?

Fragen wie diesen versucht Reinickendorf in seinem Sozialen Infrastrukturkonzept 2016, das jetzt vorgestellt wurde, auf den Grund zu gehen. Das Gutachten des Büros für Stadtplanung, – forschung und -erneuerung beschreibt das Bevölkerungswachstum und den zukünftigen Flächenbedarf für öffentliche Einrichtungen bis 2030.

Mehr als 21.000 Menschen bis 2030 mehr

Demnach wächst Reinickendorf seit 2010 stetig vor allem in den urbaneren Regionen wie in den Ortsteilen Reinickendorf, Waidmannslust (Rollbergesiedlung), Wittenau, Lübars und im Märkischen Viertel. Hier werden auch viele Kinder geboren. Hingegen in Ortsteilen wie Tegel, Heiligensee, Konradshöhe, Frohnau und Hermsdorf stagniert der Zuzug und die Bevölkerung wird immer älter. Im Jahr 2015 lebten laut Erhebung 256.617 Einwohner im Bezirk. Die Bevölkerungsprognose 2015 bis 2030 zeigt, dass der Bezirk bis zum Jahr 2030 um bis zu 8,3 Prozent wachse. Dann würden 277.879 Einwohner dort leben.

48 Potenzialflächen im ganzen Bezirk

Zusammengefasst stellen die Gutachter in vielen Ortsteilen einen „großen Handlungsdruck“ fest – vor allem in Reinickendorf und Märkischem Viertel. Schließt der Flughafen Tegel, wachse die Bezirksregion Tegel-Süd/Flughafensee am stärksten und bildet ebenfalls einen Entwicklungsschwerpunkt. Weitere liegen in der Region Waidmannslust/Wittenau/Lübars, wo viel Wohnbauprojekte realisiert werden und viele geflüchtete Menschen hinziehen werden (Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik-Gelände, KBoN-Gelände). Die Gutachter sehen auf 48 Flächen Potenziale im Bezirk, die Infrastruktur zu verbessern – 26 Flächen davon sind privat.
Die Berliner Morgenpost hat sich die 180 Seiten umfassende Analyse genauer angesehen und stellt ausgewählte Punkte vor:

Wohnungsbaupotenziale

Um dem erwarteten Bevölkerungswachstum zu begegnen, wurden 16.348 Wohneinheiten in 80 Projekten als Potenziale im Bezirk herausgefunden (Stand Juni 2016) – wobei der Schwerpunkt auf dem Gelände des Flughafens Tegels liegt. Mehr als die Hälfte – 9776 – aller bezirksweiten Wohnungsbauvorhaben sollen in Tegel realisiert werden. Stichwort: Schumacher Quartier, Cité Pasteur und Nordteil Flughafen Tegel. Aber auch Reinickendorf-Ost und Waidmannslust/Wittenau/Lübars bieten perspektivisch viele Möglichkeiten für Wohnungsbau.

Kitas

Im Jahr 2015 hatte der Bezirk 145 öffentliche Kitas, in denen rund 9660 Kinder betreut wurden. Im Bezirk fehlten 1300 Kitaplätze, rund 700 davon allein im Märkischen Viertel. Die Gutachter stellten fest, dass der Kita-Entwicklungsplan des Bezirks, der bis 2019 insgesamt 1450 neue Plätze durch Neubau und Erweiterung im Märkischen Viertel schafft, langfristig nicht ausreicht. Bis zum Jahr 2020 werden weitere 1400 Kitaplätze gebraucht. Rechnet man Flüchtlingskinder hinzu, fehlen sogar bis zu 2000 Plätze bei einer Gesamtbetreuungsquote von 66 Prozent. Da es keine landes- oder bezirkseigenen Flächen mehr gibt, sehen die Gutachter zumindest 23 Nachverdichtungspotenziale bei bestehenden Kitas.

Schulen

2015 gab es im Bezirk 67 Schulen, davon 55 in öffentlicher Hand. 12.500 Grundschüler (sechs bis zwölf Jahre) besuchten 30 öffentliche Grundschulen sowie die Gemeinschaftsschule Campus Hanna Höch. Grundsätzlich ist die Grundschulversorgung derzeit gesichert, aber bis 2030 prognostizieren die Gutachter durch den starken Zuzug ein gravierendes Defizit von 850 Grundschulplätzen – vor allem in sozial-benachteiligten Gebieten wie Reinickendorf-Ost und Borsigwalde/Tegel. Grundschulplätze werden auch auf dem Gelände des Flughafens Tegel gebraucht werden.

Das Bezirksamt begegnet dieser Entwicklung mit der Planung einer dreizügigen Grundschule an der Thurgauer/Waliser Straße (Reinickendorf-Ost) in den kommenden acht Jahren. Außerdem sind in Tegel-Süd die Erweiterung der Havel-Müller-Grundschule um einen Zug und der Alfred-Brehm-Grundschule um einen halben Zug vorgesehen. Auf dem Areal Flughafen Tegel werden zwei Grundschulen geplant. Im Märkischen Viertel wird die Märkische Grundschule um einen Zug und die Chamisso-Grundschule um drei Züge erweitert.

Insgesamt böten laut Gutachtern noch viele Schulgrundstücke Potenzial für Erweiterungen, Sporthallen oder den Bau von Kitas. Weiterführende Schulen würden in Wittenau und auf dem Flughafen Tegel fehlen. Eine sechszügige Sekundarschule ist vom Bezirk am Waidmannsluster Damm geplant.

Jugendfreizeiteinrichtungen

Es gibt 23 öffentliche Jugendeinrichtungen – davon die meisten im Märkischen Viertel. Es bräuchte laut Gutachtern bis 2030 bezirksweit 3645 Plätze zusätzlich in solchen Einrichtungen, vor allem durch den künftigen Zuzug nach Wittenau, Waidmannslust und Lübars. Das Bezirksamt ist hier anderer Auffassung und schätzt die Situation weniger dramatisch ein. Als mögliche Standorte schlagen die Gutachter den Busparkplatz in Alt-Tegel, einen Standort in Reinickendorf-Ost und im Kiez um die Auguste-Viktoria-Allee sowie eine Standorterweiterung des Comx im Märkischen Viertel vor.

Turnhallen

Derzeit gibt es 69 Turnhallen und 67 Sportanlagen. 49 der Sportanlagen liegen auf Schulgeländen und werden nur von Schulen oder Vereinen genutzt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein weiter steigender Bedarf an Turnhallen einem Überangebot an Sportanlagen gegenübersteht. Vereine sind nicht bedarfsgerecht versorgt. Die Bedarfsanalyse der Turnhallen hat ergeben, dass der Bezirk hier ein „gravierendes Defizit“ hat, während bei den Sportanlagen der Bedarf bis 2030 gedeckt ist.

2015 fehlten demnach bereits 32 Sporthallenteile, was vier großen Drei-Feld-Hallen entspricht, davon allein 16 Teile an Grundschulen. Tegel bräuchte schon jetzt laut Gutachtern noch acht große Sporthallen. Auch Reinickendorf-Ost müsste sein Turnhallenangebot verdoppeln. In den kommenden Jahren werde sich das Problem weiter verschärfen, auch wenn der Bezirk für Reinickendorf-Ost den Neubau einer Dreifeldhalle am Freiheitsweg mit Besuchertribüne plant. Bis 2030 wird der Bedarf bezirksweit auf 42 Hallenteile, besonders rundum das KBoN-Gelände und die Cité Foch anwachsen.

Spielplätze

Der Bezirk hat 85 öffentliche Kinderspielplätze auf 17,7 Hektar verteilt, die sich auf den Süden konzentrieren. Nach den Vorgaben des Berliner Kinderspielplatzgesetzes ergibt sich laut Gutachtern eine „schlechte Versorgung mit öffentlichen Kinderspielplätzen“. Bis 2030 fehlen circa 10,9 Hektar Spielplatzfläche (bereits heute acht Hektar). Die Regionen mit dem größten Bevölkerungszuwachs, wie Tegel Süd/Flughafensee, Reinickendorf-Ost und Märkisches Viertel bräuchten mehr Spielplätze. Kinderspielplätze von Wohnungsbauunternehmen und private Spielplätze fließen in die Analyse nicht mit ein. Bisher ist von Bezirksseite ein großer Neubau mit circa 3000 Quadratmetern in der Cité Foch geplant. Die Gutachter empfehlen, auf Flächen ungenutzter Grünanlagen Spielplätze zu realisieren. „Wir legen Wert darauf, unsere vorhandenen Spielplätze zu erneuern und verbinden dies auch regelmäßig mit Erweiterungen“, sagt dazu Baustadträtin Katrin Schultze-Berndt.

Grünanlagen

200 Grünanlagen mit 5,4 Millionen Quadratmeter hat der Bezirk. Die wohnortnahe Versorgung ist sehr gut. Sie sind laut Gutachtern dennoch ungleich zwischen Süd-Ost und Nord-West verteilt. Massiven Bedarf wegen zu kleiner Grünflächen gibt es in Reinickendorf-Ost (Reginhardstraße), rund um die Auguste-Viktoria-Allee und im Märkischen Viertel. Die Gutachter empfehlen, am Güterbahnhof Schönholz eine öffentliche Grünfläche zu schaffen – da, wo unlängst der Reinickendorfer Ur-Mauerrest gefunden wurde.

Bibliotheken

Die Netzdichte bei den sieben stationären Bibliotheken sei „sehr gering“ und die Nutzungsfläche der vorhandenen Standorte „kaum ausreichend“, konstatieren die Gutachter. Gerade für Kinder und ältere Menschen sei schon heute die Distanz zu den Standorten eine Herausforderung. Bibliotheken könnten deswegen ihre Aufgaben nur „eingeschränkt erfüllen“.

Reinickendorf habe schon im Jahr 2016 einen Flächenbedarf von 14.807 Quadratmetern gehabt. Da Bibliotheken als Ort des Lernens und Arbeitens eher an Bedeutung gewinnen, werde laut Gutachten auch der Bedarf zunehmen. Dennoch sei Reinickendorf im berlinweiten Vergleich mit dieser Versorgungslage im oberen Drittel angesiedelt. Der Bezirk plant neue Standorte zu entwickeln. Angedacht sind Reinickendorf-West (Flughafen Tegel) und das Kurt-Schumacher-Quartier sowie Frohnau und Reinickendorf-Ost.

Volkshochschulen

An 62 Standorten finden Volkshochschulkurse statt. Die Gutachter bewerten die Versorgungssituation als „unzureichend“ und regen Ergänzungen an. Bei zukünftigen Schulplanungen sollten erwachsenengerechte Räume für den Unterricht mit VHS-Kursen geplant werden, raten sie an. Außerdem bedarf es der Schaffung neuer Räume für VHS-Kurse in Reinickendorf-West (Auguste-Viktoria-Allee/Scharnweberstraße) und im Märkischen Viertel. Die geplante Bibliothek im zukünftigen Schumacher-Quartier soll laut Bezirk VHS-Räume enthalten.

© Morgenpost vom 6.10.2018

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