Wahlkampf – Informativ

Eine informative und anregende Wahlkampfveranstaltung – dieses Fazit ließ sich ziehen nach dem Hermsdorfer Kirchengespräch in dem Hermsdorfer Katholischen Gemeindezentrum Maria Gnaden am 6. September. Unter der kompetenten und straffen Leitung des Moderatoren Dr. Gerd Diepenbrock diskutierten die Kandidaten für den Wahlkreis 6 der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien. Deshalb waren FDP und AfD nicht vertreten, obwohl es sicher interessant gewesen wäre, auch deren Meinung zu den aufgeworfenen politischen Fragen zu hören, zumal die AfD mit hoher Wahrscheinlichkeit und eventuell auch die FDP im nächsten Abgeordnetenhaus vertreten sein werden.

Vorstellung der Kandidaten

Einleitend konnten die eingeladenen Parteienvertreter die Grundzüge ihrer politischen Arbeit darstellen. Es begann Leonore Fuger, die für die Piratenpartei im Wahlkreis 4 in Reinickendorf kandidiert, mit der knappen Feststellung, dass die Piraten in der letzten Legislaturperiode im Abgeordnetenhaus sehr aktiv waren und zahlreiche Anträge eingebracht haben, denen sich die anderen Parteien anschlossen. Wer inhaltliche Schwerpunkte erwartet hatte, wurde hier etwas enttäuscht. Da wurde Andreas Rietz von den Grünen deutlicher: Er positionierte sich klar gegen den Weiterbau der A 100 und bedauerte, dass Michael Müller ohne Not mit seiner Festlegung auf die Fortführung des Baus der Stadtautobahn vorgeprescht sei. Wichtige anzugehende Aufgabenkomplexe sah er beim BER und der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen. Er verwies darauf, dass die Grünen im Bezirk viel erreicht hätten, so in den Bereichen Verkehr und Schule. Katina Schubert, Kandidatin für die Linkspartei im Wahlkreis 4, hob in ihrem Statement hervor, dass die Linke den Schwerpunkt ihrer Arbeit im Sozialen sehe und sich daher insbesondere der Versorgung der Berliner mit bezahlbaren Wohnungen widme, der Bekämpfung von Armut und der Integration der Flüchtlinge. Dazu müsse der öffentliche Dienst wieder in die Lage versetzt werden, als Dienstleister effektive Arbeit erbringen zu können. Jürn Jakob Schultze-Berndt von der CDU stellte heraus, dass die CDU als Koalitionspartner der SPD in der vergangenen Legislaturperiode für Berlin viel Gutes getan habe, so im Bereich der inneren Sicherheit, einer niedrigeren Arbeitslosenquote, mit der Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen für gut qualifizierte Arbeitnehmer und entsprechenden Arbeitsplätzen. In der BVV habe es eine gute Kooperation mit den Grünen gegeben.

Ulf Wilhelm von der SPD konnte und wollte dieser Würdigung des Wirkens der großen Koalition auf Landesebene so nicht folgen. Die Außendarstellung der Koalitionäre sei nicht immer positiv gewesen, auch wenn insgesamt gute Arbeit geleistet worden sei. Er sehe für die Zukunft die Notwendigkeit und die Möglichkeit, vermehrt Investitionen zu tätigen, da nach der notwendigen Haushaltskonsolidierung nunmehr Überschüsse erwirtschaftet werden, die Mittel für Investitionen freisetzen.

Schule/Bildung

Parteipolitische Differenzen wurden deutlich bei der Diskussion zum Themenkomplex Schule/Bildung. Es setzten sich zwar alle Kandidaten für die verstärkte Sanierung von Schulgebäuden ein und in diesem Zusammenhang auch für eine beschleunigte Räumung und Renovierung der mit Flüchtlingen belegten Turnhallen ein, bei der Bewertung der Schulstrukturen in Berlin hingegen schieden sich die Geister. Während die Vertreter von SPD, Linkspartei, den Grünen und den Piraten die Bedeutung des gemeinsamen Lernens betonten und die Einführung der Sekundarschulen und der Gemeinschafts-schulen als Erfolg sahen, hielt Schultze-Berndt eine Stärkung des Gymnasiums für sinnvoll und die Abschaffung der Hauptschule, die aus ideologischen Gründen erfolgt sei, für einen schweren Fehler. Offensichtlich war er sich nicht der Tatsache bewusst, dass in den neuen Bundesländern unter Mitverantwortung der CDU die Hauptschule gar nicht erst eingeführt worden war.

Innere Sicherheit

Auch beim Themenbereich „Innere Sicherheit“ wurden Frontstellungen deutlich. Einig war man sich noch bei der Forderung nach mehr Polizei auf der Straße, wobei Andreas Rietz von den Grünen noch zufügte, dass die Polizisten andere Aufgaben hätten als den Einsatz im Straßenkampf in der Rigaer Straße. Ulf Wilhelm – SPD – wies noch darauf hin, dass die Kontaktbereichsbeamten in der Vergangenheit allgemein akzeptiert waren und durch ihre kontinuierliche Präsenz ein Gefühl der Sicherheit vermittelten. In der Frage von Videoüberwachung im öffentlichen Bereich stand Schultze-Berndt allein da: Er hielt sie für notwendig, während die anderen betonten, dass sie Kriminalität nicht verhindern könne. Katina Schubert von der Linkspartei unterstrich in diesem Zusammenhang, dass es andere, bessere Wege gebe, um den öffentlichen Raum sicherer zu machen: nicht nur mit mehr Polizei auf der Straße, sondern auch mit Rufsäulen und guter Beleuchtung ließen sich Sicherheit und ein Gefühl der Sicherheit verstärken.

Wohnungsbau

Beim Thema Wohnungsbau stimmten alle Vertreter darin überein, dass Berlin als „wachsende Stadt“ dringend den Wohnungsbau verstärken müsse. Nur beim Weg zu mehr Wohnraum war man geteilter Meinung. Schultze Berndt – CDU – wollte die Eigentumsrate erhöhen. Darüber hinaus sollte verstärkt nicht im ohnehin überlasteten Stadtgebiet gebaut werden, sondern der Wohnungsbau solle ins Umland verlagert werden. Durch intelligente Verteilung sei auch das Verkehrsproblem zu lösen. Diese Auffassungen lehnten die anderen ab: Eine hohe Anzahl von Wohnungen mit bezahlbaren Mieten sei erforderlich, die nicht private Investoren, sondern die städtischen Wohnungsbauge-sellschaften und auch Genossenschaften erstellen sollen. Ulf Wilhelm ergänzte noch in Auseinandersetzung mit der Forderung nach der erhöhten Eigentumsquote, dass die Einkommensstruktur in Berlin eine Erhöhung der Eigentumsquote nicht erlaube. Aus dem Publikum gab es zur Verlagerung des Wohnungsbaus nach Brandenburg heftige Kritik: Berlin könne sein Problem nicht zu Lasten Brandenburgs lösen, die Staus auf der B 96 in Hermsdorf und Frohnau seien schon jetzt heftig, noch mehr Verkehr sei unmöglich.

Publikumsrunde

In der Publikumsrunde wurden die Probleme der Sozialen Stadt, Quartiersmanagement auch für das MV, die im Vergleich zu anderen Bundesländern schlechtere Bezahlung im Berliner öffentlichen Dienst sowie die Schließung des Flughafens Tegel angesprochen. Bei letzterem Thema stellte sich ein Vertreter der FDP vor, der allerdings mit seiner Forderung nach Offenhaltung von Tegel in der Runde auf taube Ohren stieß.

In der Frage nach möglichen Koalitionen nach der Wahl gab es Einigkeit nur in der klaren Ablehnung einer Koalition mit der AfD, auch von Schultze-Berndt, der sich gegen seinen Parteifreund Radunski positionierte. Dieser hält eine Koalition mit der AfD für sinnvoll, um sie zu entzaubern.

Ansonsten hielt man sich bedeckt, jede Partei müsse für sich stark werden. Außer Schultze-Berndt machte sich aber niemand für eine Fortsetzung der Großen Koalition stark. Auch Schwarz-Grün hielt er nach den guten Erfahrungen in Reinickendorf für eine Möglichkeit. Nun hat am 18. September der Wähler das Wort und die Gelegenheit, durch die richtige Wahl die von ihm gewünschte Realisierung wichtiger politischer Forderungen zu erreichen. Dieser Abend dürfte einige Hinweise auf eine sinnvolle Wahlentscheidung gegeben haben.

Gaby Thieme-Duske

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