Entgeltgleichheitsgesetz – eine „Signalrakete“?

Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) und die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (AsJ) hatten zum 8. März ein hochrangiges Podium eingeladen, um über das Gesetzesvorhaben zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Männern und Frauen – kurz Entgeltgleichheitsgesetz – zu diskutieren.

Veranstaltungsort war die „Weiberwirtschaft“, ein Wirtschafts- und Gründerinnenzentrum für Frauen. Neben der Bundestagsabgeordneten und AsF-Landesvorsitzenden Eva Högl waren Hartmut Kuster, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Berater von Betriebsräten, Dr. Bertram Zwanziger, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht und Uta Zech als Präsidentin des „Business and Professional Women – Germany Vereins“, besser bekannt als Erfinderin des „Equal Pay Day“. Die umsichtige und freundliche Moderatorin des Abends war Barbara Loth, stellvertretende Landesvorsitzende der Berliner SPD.

Christian Oestmann als Berliner AsJ-Vorsitzender leitete den Abend ein mit einem Verweis auf den Gleichberechtigungsartikel 3 des Grundgesetzes. Dazu im krassen Widerspruch stehen die Tatsachen, dass nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes Frauen in Deutschland noch immer rund 21 % weniger verdienen als Männer, dass sie häufiger in Teilzeit arbeiten oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen und weniger in gut bezahlten Führungspositionen.

Die Frage des Abends war: Kann das Entgeltgleichheitsgesetz, das bisher nur im Entwurf vorliegt, daran Wesentliches ändern?

Gesetzentwurf ein erster Schritt zu Lohngleichheit

Hier gab es durchaus unterschiedliche Meinungen auf dem Podium. Eva Högl stellte die Inhalte des Gesetzentwurfs dar und wie schwierig ein Kompromiss mit der CDU hierzu war. Mehr als die Forderung nach Transparenz bei der Bezahlung der Beschäftigten in einem Unternehmen und ein individueller Anspruch auf Auskunft darüber, an welchen Kriterien sich die Bezahlung orientiert, war mit der CDU nicht zu machen. Dies gilt allerdings nur für Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten. In Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten sollen die Arbeitgeber aufgefordert werden, regelmäßig ihre Entgeltstrukturen auf die Einhaltung der Entgeltgleichheit zu überprüfen und Berichte über den Stand der Gleichstellung und der Entgeltgleichheit zu geben. Eva Högl bemängelte am Entwurf die Begrenzungen bei den Beschäftigtenzahlen in den Betrieben; sie forderte die Einbeziehung aller Betriebe und Sanktionen für Arbeitgeber, die den Pflichten aus diesem Gesetz nicht nachkommen. Sie sah mithin den Entwurf nur als ersten Schritt hin zu mehr Gleichheit in der Bezahlung von Männern und Frauen und hofft auf eine andere Koalition im Bundestag für die Verbesserung dieses Gesetzes. Sie verwies in diesem Zusammenhang auch auf das strukturelle Ungleichgewicht, das sich in der Überrepräsentation von Frauen in schlechter bezahlten Erziehungs- und Pflegeberufen und Unterrepräsentation in den besser bezahlten technischen Berufen widerspiegelt.

Hartmut Kuster bewertete den Gesetzentwurf nur als „kleine Marke“, als Signal. Besonders die Durchsetzung eines individuellen Auskunftsanspruch hielt er für problematisch. Er bemängelte wie zuvor schon Eva Högl die fehlenden Sanktionen für Arbeitgeber. Im übrigen hätten die Betriebsräte schon jetzt das Recht auf Einsicht in betriebliche Entgeltordnungen, sie könnten auch bei Schulungen die Mitarbeiter entsprechend informieren.

Bertram Zwanziger bewertete den vorliegenden Entwurf grundsätzlich positiver. Er meinte, dadurch könnten im Betrieb innerbetriebliche Prozesse eingeleitet werden, über Bezahlung der Beschäftigten und Ungerechtigkeiten zu sprechen. Er bemängelte am Entwurf eine Reihe von unklaren Formulierungen, auf deren Korrektur er hoffe.

Ute Zech sah im Gesetz mehr Möglichkeiten. Sie hielt es für einen wichtigen ersten Schritt, sogar als „Signalrakete“, weil damit ein Tabu gebrochen werde, dass über Gehälter nicht gesprochen und Transparenz bei der Bezahlung angestrebt werde. Sie versteht das Gesetz durchaus als Aufruf an die Unternehmer, über gerechtere Bezahlung ihrer Beschäftigten nachzudenken.

In der anschließenden Diskussions- und Fragerunde mit dem Publikum und der Schlussrunde zeichnete sich ab, dass der Gesetzentwurf als wichtiger, aber nicht hinreichender erster Schritt zum Ziel der Lohngleichheit gesehen wurde. Es sei schon viel, dass man sich mit der CDU wenigstens auf das Erreichte einigen konnte, der Ansatz sei durchaus fortschrittlich. Weitergehende Forderungen sollten ins Wahlprogramm aufgenommen werden. Generell wurde festgestellt, dass das Prinzip der Lohngleichheit voraussetze, dass es Kriterien für die Gleichwertigkeit von Berufen gebe. Da diese bislang noch nicht existierten, sei die Umsetzung der Forderung nach Lohngleichheit schwierig. Hier müsse noch Arbeit geleistet werden.

Frauen auf dem Arbeitsmarkt strukturell benachteiligt

Auch die allgemeine strukturelle Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt wurde nochmals problematisiert. Bei der schlechten Bezahlung von Frauen in Pflege- und Erziehungs-berufen seien besonders die öffentlichen Arbeitgeber in der Pflicht, dies zu ändern. Hier gebe es gerade in Berlin noch erheblichen Nachholbedarf. Hierzu merkte Harald Kuster an, dass auch Gewerkschaften und Betriebsräte stärker auf die Beseitigung von derartigen strukturellen Ungleichheiten drängen sollten. Eine weitere strukturelle Benachteiligung sei der hohe Anteil von Frauen an Teilzeitbeschäftigung. – auf Frauen entfallen über 80 % der sozialversicherungs-pflichtigen Teilzeitstellen. Noch immer gebe es kein Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit. Hier konnte Eva Högl berichten, dass Arbeitsministerin Andrea Nahles dazu einen Gesetzentwurf erarbeitet.

Eine interessante Anregung gab zum Abschluss Ute Zech. Sie berichtete, dass in Finnland die Gleichstellungspolitik im Wirtschaftsministerium angesiedelt sei. Dadurch ergäben sich erheblich weniger Konfrontationspunkte, da die Fragen der Gleichstellung von Frauen und Männern nicht immer sofort – wie in Deutschland – als „Frauenprobleme“ abgetan würden. Eva Högl nahm dies als Merkpunkt für die eventuelle und erhoffte neue Koalition auf.

Gabi Thieme-Duske

 

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