Fahrradentwicklungsland Reinickendorf
„Diese Tour wird keine Besichtigungstour zu Sehenswürdigkeiten in Reinickendorf sein, sondern wir wollen Gefahrenstellen für Radlerinnen und Radler in Reinicken-dorf anfahren und Vorschläge für die Sanierung der Radwegeanlagen machen“. Mit diesen Worten begrüßte am Sonntag, dem 2. 9., der Reinickendorfer ADFC-Vorsitzende Carsten Schulz die rund 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ADFC-Tour durch Reinickendorf. Die eigentliche Führung übernahm der langjährige Reinickendorfer ADFC-Vorsitzende Bernd Zanke.
Der Radweg in der Gorkistraße zwischen Rosentreterpromenade und Nordgraben ist repräsentativ für den Zustand zahlreicher Radwege in Reinickendorf: Zu schmal, mit seitlichen Schwellen ausgestattet, die Stürze beim Ausweichen geradezu provozieren, stark unterwurzelt und dadurch holprig und gefahrenträchtig besonders in der dunklen Jahreszeit. Hier hilft nur eine Grundsanierung.
In der Conradstraße in Borsigwalde wird zwischen Gorki- und Ernststraße der Radweg auf dem Gehweg geführt. Auch hier ist der Belag aus Verbundpflaster-steinen im Laufe der Jahre holprig geworden. Dazu kommt wie bei allen auf dem Gehweg angelegten Radwegen die Gefährdung von Radlern und Fußgängern, weil die aufgebrachten Trennlinien zwischen Rad- und Gehweg nicht beachtet werden oder kaum mehr erkennbar sind. Die Anlage eines Radstreifens oder Radschutz-streifens auf der Fahrbahn wäre hier eine mögliche Lösung.
An anderen Stellen wies Bernd Zanke auf Baustellen auf Radwegen hin, auf denen monatelang nichts passiert und das trotz wiederholter Hinweise an das Tiefbauamt. Ein weiteres unnötiges Hindernis für den Radverkehr ist die ungeschickte Radwegführung und Ampelregelung an Abzweigungen, bei denen Geradeausfahrer eigentlich fahren könnten, ohne irgendjemand zu gefährden, aber dennoch durch eine rote Ampel ausgebremst werden. Immer wieder fielen an den Ampeln auch die zu kurzen Ampelphasen für Fußgänger und Radfahrer auf, die problemlos fußgänger- und radfahrfreundlicher verlängert werden könnten. So sieht keine Politik aus, die Radfahrer als Verkehrsteilnehmer ernst nimmt.
Auf eine besonders absurde Situation wies Bernd Zanke an der Einmündung der Wittenauer Straße in die Oranienburger Straße in Wittenau (B 96) hin: Von Süden her wird die B 96 bis zu dieser Einmündung saniert, und der inzwischen fertig gestellte Radweg auf der Westseite ist ein positives Beispiel für die zeitgerechte Anlage eines Radweges. Wer in Zukunft, wenn auch die östliche Seite der B 96 saniert sein wird, Richtung Norden fährt, wird hinter der Wittenauer Straße eine böse Überraschung erleben: einen schmalen, extrem holprigen und dadurch gefährlichen Radweg mit seitlicher Schwelle und Grasbewuchs, dient als Fortsetzung eines modernen Radweges. Dabei hätte gerade dieser Abschnitt am dringendsten saniert werden müssen. Auf eine Anfrage aus der BVV hin hieß es aus der Reinickendorfer Bauverwaltung, dass der Radweg an dieser Stelle gar kein Radweg, sondern ein Gehweg sei, der für den Radverkehr freigegeben sei. Inzwischen hat die SPD-Fraktion einen Antrag zur Sanierung des Radweges zwischen Wittenauer Straße und Zabel-Krüger-Damm in der BVV eingebracht, es ist nur zu hoffen, dass er in der BVV eine Mehrheit findet und dann zügig umgesetzt wird.
Den Abschluss der Radtour bildete ein Treffen in einem Freiluftrestaurant mit einer Gesprächsrunde. Einleitend würdigte der ADFC-Vertreter Frank Masurat das inzwischen vom Abgeordnetenhaus beschlossene Mobilitätsgesetz, das erstmalig in Deutschland dem Umweltverbund – öffentlicher Personennahverkehr, Fußgänger- und Radverkehr – Vorrang einräumt. Er wies auch auf die Probleme bei der Umsetzung dieses Gesetzes hin: die unklaren Zuständigkeiten zwischen der Landes- und Bezirksebene, fehlendes Personal in den Bauämtern, ein immer noch verbreitetes autoorientiertes Denken und der deshalb fehlende politische Wille zur Umsetzung der im Mobilitätsgesetz vorgesehenen Maßnahmen, obwohl derzeit das nötige Geld durchaus vorhanden ist. Das zeigt sich insbesondere in Reinickendorf, wo zur Sanierung von Radverkehrsanlagen vom Senat bereitgestellte Mittel nicht abgerufen werden.
Aus dem Teilnehmerkreis wurden insbesondere der schlechte Zustand der Radwege in Reinickendorf, fehlende Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und der für das Radfahren unzumutbare Straßenbelag aus grobem Kopfsteinpflaster beklagt. Die von der Bezirksstadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU) angekündigten Asphaltierungen seien bisher nicht in Angriff genommen worden. Viele fragten, wie sich der Druck auf die Bezirkspolitik erhöhen ließe. Bernd Zanke wies noch darauf hin, dass es in Reinickendorf weder einen Fahrradbeauftragten, noch einen sogenannten „FahrRat“ gebe. Die Politik sei nun in der Pflicht, endlich auch in Reinickendorf Strukturen zu schaffen, damit der Umweltverbund Wirklichkeit wird.
Gabi Thieme-Duske