Nachhaltiges Wirtschaften und sozialdemokratische Werte
Prof. Holger Rogall in der Abteilungsversammlung
Entweder wir schaffen die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft, oder wir stehen vor riesigen Klima- und Ressourcenkriegen – ein „weiter so!“ kann es nicht geben. Holger Rogall, Vater der nachhaltigen Wirtschaftslehre und Genosse unserer Abteilung, hat das Wagnis unternommen, komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge in einem knappen Vortrag bei unserer digitalen Abteilungsversammlung im März zu präsentieren. Die Herausforderungen sind längst schon unübersehbar geworden: In der Ökologie die Klimaerwärmung und der ständig steigende Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen, in der Ökonomie die mangelnde Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse mit nachhaltigen Produkten und die wachsende Instabilität der Finanzmärkte, im Sozialen die verbreitete Armut und die Zunahme gewaltsamer Konflikte. Dagegen setzt eine nachhaltige Wirtschaft auf ökonomische, aber eben auch ökologische und soziale Standards in den Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit. Es geht um weit mehr als die Schaffung einer blühenden Umwelt-Industrie: Ein breit angelegter Transformationsprozess greift bestehende volkswirtschaftliche Theorien auf und stellt sie in einen grundsätzlich neuen Rahmen. Unser Wirtschaften braucht ein anderes Menschenbild, unsere Unternehmen brauchen andere Zielvorgaben. Es geht darum, Gerechtigkeit zwischen den Generationen zu schaffen und unsere globale Verantwortung wahrzunehmen.
Grundvoraussetzung ist eine stetige Senkung des Ressourcenverbrauchs. Das gelingt, wenn die Ressourcenproduktivität stärker wächst als das Bruttoinlandsprodukt – so die „Weltformen“ des nachhaltigen Wirtschaftens. In Deutschland und in einigen anderen Ländern ist es seit den 1980er Jahren im wesentlichen gelungen, diese Zielvorgabe einzuhalten. Die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft bedeutet nicht notwendig niedrigere Einkommen für die Menschen. Erforderlich ist aber eine tiefgreifende Veränderung unserer Konsum- und Lebensgewohnheiten: Unser Güter-Korb muss und wird sich verändern, wie wir gerade beim Benzin schmerzhaft erleben. Wir brauchen ein moderates und selektives Wachstum. Angemessen und auskömmlich soll es sein, und nicht länger ausgerichtet auf maximale Produktion. Entscheidend sind die ethischen Grundlagen unseres Wirtschaftens: Gerechtigkeit, Verantwortung und Dauerhaftigkeit statt kurzfristiger Optimierung ausschließlich für den eigenen Nutzen.
Die Schaffung einer nachhaltigen Marktwirtschaft ist auch eine politische Aufgabe: Es braucht eine „nachhaltige Demokratie“, einen aktiven Staat, der mit sozial-ökologischen „Leitplanken“ das Konsumverhalten steuert. Vieles davon ist in der sozialdemokratischen Politik bereits angelegt. Vermeiden, Wiedergewinnen, nach Alternativen suchen – wir wissen, was zu tun ist. Nachhaltiges Wirtschaften ist möglich! Marktwirtschaft und individuelle Verantwortung allein werden nicht ausreichen. Das zeigen die Rückschläge, die es immer wieder gibt. Wenn z.B. eine verbesserte Motorleistung nicht zur Einsparung von Ressourcen genutzt, sondern an größere und schwerere Autos verschwendet wird. Entscheidend für die sozialdemokratische Politik der Zukunft wird es sein, nachhaltiges Wirtschaften als eine positive Botschaft zu setzen und alle gesellschaftlichen Kräfte für diesen Transformationsprozess zu gewinnen – nicht zuletzt auch innovative Unternehmen, die sich dieser Herausforderung stellen.
Thomas Koch